"Wir wollen glückliche und starke Kinder"
Frau Seidel und Frau Beyers-Reuber, was bedeutet Glück für Sie?
Claudia Seidel: „Glück ist mit Kindern zu arbeiten, Fundamente zu legen und Kinder in ihren Fähigkeiten zu stärken.“ Marion Beyers-Reuber: „Ich verbinde mit Glück Tanzen, Natur, meine Familie und Freunde und das Wahrnehmen der kleinen Glücksmomente. Übergreifend ist Glück für mich eine Haltung. Ich kann sagen, das Glas ist halb leer – oder halb voll.“
Kann man das Glücklichsein lernen?
Claudia Seidel: „Da bin ich mir sicher. Nachhaltiges Glück, das über den glücklichen Augenblick hinausreicht, kann man lernen, muss man aber üben. Schule ist häufig ein System, das auf Defizite schaut. Im Förderkonzept Glück verändern wir einfach unsere Blickrichtung und stellen die Stärken und die besonderen Fähigkeiten jedes Kindes in den Mittelpunkt.“
Was steckt hinter Ihrem Förderkonzept „Glück“?
Marion Beyers-Reuber: „Das , Förderkonzept ,Glück‘ hat Malaika e.V., Verein zur Förderung der Lern- und Lebensfreude, ins Leben gerufen und beruht auf das Schulfach Glück, das ein Schulleiter aus Heidelberg entwickelt hat. Wir wollen Heranwachsenden Raum geben, ihr Potenzial zu entfalten. In unserer Gesellschaft haben wir den Blick viel zu sehr auf Defizite gerichtet und weniger darauf, was gelingt und was uns ausmacht. Die Kinder werden befähigt, ihre Stärken zu entwickeln und den Blick auf das Gelingende zu richten. Darin unterscheidet sich das Konzept von vielen anderen Glücksbewegungen.
Gerade die Viertklässler stehen kurz vor dem Wechsel an eine weiterführende Schule. Daher ist dieser Zeitpunkt noch einmal besonders wichtig, die Kinder zu stärken und ihnen ein gutes Rüstzeug mitzugeben.
Claudia Seidel: „Wir üben mit den Schülern, alle Gefühle zuzulassen und wie sie aus diesen Gefühlen etwas Positives ziehen können. Das ist wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder. “
Was passiert während des Unterrichts?
Marion Beyers-Reuber: „Zum einen machen wir mit den Kindern Übungen, bei denen Bereiche wie Eigen- und Fremdwahrnehmung, Körperausdruck, Teamfähigkeit, Achtsamkeit, Wertschätzung und Kreativität trainiert werden. Zum anderen reflektieren die Kinder das Erlebte. Es ist schön zu sehen, wir die Kinder gestärkt werden und sie an den Übungen wachsen.“
Claudia Seidel: „Als Beispiel: Wir üben regelmäßig mit den Kindern, ihre Stärken zu erkennen. Dann stehen alle im Kreis und jeder muss eine Eigenschaft benennen, die er besonders gut kann. Stellen Sie sich vor, dass der Klassenbeste dann bei dieser Übung in der Mitte steht, in Tränen ausbricht und sagt, er könne gar nichts gut. Die Wahrnehmung seiner Mitschüler hat ihm dann geholfen, seine eigenen Stärken zu entdecken."
Wie haben die Eltern auf die Einführung des Fachs reagiert?
Claudia Seidel: „Positiv. Einige waren sofort begeistert und andere waren anfangs etwas skeptisch. Im Rahmen einer Projektwoche konnten dann alle Schüler/innen und Eltern Inhalte und Übungen kennen lernen. Im Anschluss entschied die Schulkonferenz einstimmig, das Förderkonzept Glück in unser Schulprogramm zu etablieren.
Was brauchen Kinder zu welchem Zeitpunkt, um in ihrer Persönlichkeit gestärkt zu werden?
Claudia Seidel: Viele Übungen wie ein Glückstagebuch oder eine Glücksbox in die besondere Momente kommen, nehmen die Kinder mit in ihre Familien. Daher haben auch die Eltern die Möglichkeit teilzuhaben und selber die Blickrichtung zu verändern.
Wie sind die Reaktionen der Kinder?
Marion Beyers-Reuber: „Viele Kinder erzählen ihren Eltern vom Unterricht, dadurch ergeben sich zuhause andere Gespräche. Die Kinder lernen viel über sich und über ihre Mitschüler. Welche Rolle übernehmen sie in der Gruppe, wie ist es, mit der eigenen Meinung alleine zu sein? Einige von ihnen erleben zum ersten Mal, dass es vollkommen in Ordnung ist, so zu sein, wie sie sind.“
Claudia Seidel: „Nur, wenn ein Kind eine starke Persönlichkeit ist, kann es Stress aushalten und schafft den Spagat zwischen Spannung und Entspannung. Die innere Stärke hilft den Herausforderungen des eigenen Lebens zu begegnen.“